Dieser Artikel ist in
Kooperation mit LumoLabs entstanden.
Nikon D800 AA-Filter - der
Unterschied zur D800E (Dies ist eine
vereinfachte
Kurzversion,
für eine fundiertere wissenschaftliche
Abhandlung verweise ich auf das englische
Original des Artikels und das "Whitepaper:
Understanding Image Sharpness” bei LumoLabs).
Der
folgende Artikel ist die deutsche Fassung der technischen
Studie zum Thema Anti-Aliasing-Filter
(Bayer-AA-Filter) in den Nikon Kameras D800 und D800E.
Das Whitepaper / Technical Study ist in englischer Sprache
direkt
bei LumoLabs
zu finden.
1.
Einführung
Nikon hatte entschieden, zwei Versionen der Nikon D800
Vollformat-SLR-Kamera, auf den Markt zu bringen. Ein Modell
mit
einem Bayer-AA-Filter (die D800) und eine ohne (die D800E).
Nach
unserer Meinung geschah
dies nicht aus technischen Gründen,sondern Nikon schuf zwei Versionen
um unterschiedliche Märkte zu
bedienen.
Das Model D800, um kaufkräftige APC-C und KB-Vollformat
Fotografen zur
beeindruckenden Auflösung von 36 MegaPixel zu locken und die D800E um
in das Segment der Mittelformat-Fotografen einzudringen.
Wie
gross ist
nun der Unterschied, denn beide Modelle sind technisch absolut gleich,
bis auf eine einzige "Kleinigkeit": Das
AA Filter (Anti-Aliasing Filter) auch als Tiefpass-Filter
bezeichnet, ist in der D800 -wie in fast allen Digitalkameras- vor dem
Bildsensor montiert und von der D800E wird gesagt, dass dieses
AA-Filter fehlt um eine höhere Auflösung und schärfere Bilder zu
ermöglichen.
Wir haben nun geprüft, wie stark der Effekt dieses
AA-Filters
ist und im direkten Vergleich einige Messungen durchgeführt.
2. HintergrundZuallererst:
Das was
jeder ein "AA-Filter" oder "Tiefpassfilter" nennt, ist eigentlich
keines. Ein
Tiefpassfilter
zerstört die Signale höherer Frequenzen. Jede
Digitalkamera hat zwar eine Tiefpassfilterfunktion, diese
ergibt sich jedoch aus der Begrenzung der Pixelgröße.
Das
"Bayer-AA-Filter" besteht typischerweise aus einem Paar
Lithium-Niobat-Kristall-Platten. Diese sind um 90° zueinander
versetzt und vor dem Sensor angebracht. Dieses Material
erlaubt den Lichtstrahl zu spalten und in Kombination der Paare ergibt
sich der gewünschte Effekt einer Vierfachbrechnung. Da die
Farbspeicherung/Farberzeugung üblicher Digitalkameras
durch vorgesetzte Farbfilter (Rot, Grün (doppelt), Blau), d.h.
durch 4 Bildpunkte (Pixel) erfolgt, sorgt
das "Bayer-AA-Filter" für eine möglichst gleichmässige
"Ausleuchtung" der 4 benachbarten Pixel duch den (einen) Lichtstrahl. Das
Ergebnis ist eine genaue Farbwiedergabe. Eine solches Bayer-AA-Filter
wurde 100% Stärke aufweisen.
Da die Hersteller nicht
die volle Auflösung des Sensors opfern wollen, entwerfen ihre
Bayer-AA-Filter sie in der Regel schwächer.
Das
"Bayer-AA-Filter" der D800E wird nicht durch das Weglassen des Filters
realisiert, sondern durch eine Anordnung der
Lithium-Niobat-Kristall-Platten um 180° zueinander, damit sich deren
Wirkung gegenseitig aufhebt. Dadurch wird der
Tiefpassfiltereffekt auf nahezu 0% Wirkung reduziert. Falls
diese Filtereinheit komplett weggelassen würde, wäre die Filterwirkung
zwar ebenfalls bei 0, aber der gesamte
optische Weg und die Farbberechnung (Farbprofile) müssten eine andere
Kalibrierung als bei der Schwester D800
erhalten. Dieser Aufwand wäre wohl aufwändiger zu realisieren als die
Kosten der Filtereinheit in Kauf zu nehmen.
Das
Problem des zur Zeit in Fotoforen heftig diskutierten Farbfehlers /
Farbmoirés / Farbmusters ist wie folgt: Angenommen, ein Strahl (z. B.
von einem
Stern) erreicht die Kamera und trifft auf ein einzelnes Pixel.
Vor dem Pixel befindet sich ein grünes, rotes oder blaues
Filter der
Bayer-Filter-Matrix. Dies bedeutet, dass die Kamera einen
grünen,
roten oder blauen Stern "sieht". Die Kamera kann die
wirkliche Farbe des
Sterns nicht erkennen, und keine intelligente Software kann
die fehlenden Farbinformationen berechnen.
Das ist
das Falsch-Farben-Problem, wenn das sogenannte Demosaicing solche
Glanzlichter ("Sterne") oder kontrastreiche
Kanten nicht korrekt darstellen/erkennen kann.
Wenn
kontrastreiche Kanten nun ein regelmäßiges Muster bilden, wird
die falsche Farbe variieren und sich über das Bild legen, was dann
unser störendes Farb-Moiré-Muster ergibt. Es kann z.B. wie
"Regenbogenfarben" aussehen.
In Bild 1 ist nun durch
die Struktur des Stoffes genau so ein regelmäßiges Muster
gegeben und links ist ein Farb-Moiré zu sehen:

Je stärker nun das
AA-Filter die höheren Frequenzen wegfiltert umso schwächer werden
solche Farb-Moiré Störungen. Gleichzeitig verlieren wir aber
auch die Auflösung und Bildschärfe.
Die Nikon D800E
besitzt mit dem 0% AA Filter also eine höhere Wahrscheinlichkeit solche
Farb-Moiré Störungen zu produzieren, aber wieviel schärfer können die
Bilder werden als bei der D800?
Andersrum
ausgedrückt: Mehr als 100% geht nicht (D800E), also wie stark dämpft
die AA-Filtereinheit in der D800 dir hohen Frequenzen und somit die
feinsten Details in den Bildern?
Das finden wir
jetzt raus:
3. TestvorbereitungNun
kurz, einfach und ohne Formeln: Um die Anforderungen für
perfekt vergleichbare, perfekt scharfgestellte und garantiert
unverwackelte Testbilder zu erfüllen, haben wir das gleiche Objektiv an
beiden Kameras verwendet. Es
war ein Nikkor 24-70/2.8G, bei 50mm f/4.0 in der Mitte, mit
Spiegelvorauslösung, Fernauslöser und Studioblitz um keine
Bewegungsunschärfe zu erhalten. Der Abstand zum Testchart betrug 2,5 m
(50x Brennweite). Dieser Aufwand ist selbstverständlich
notwendig,
denn kleinste Verwacklungen und feinste Fehljustage der Fokusebene
würde sich spürbar auf die Bildschärfe auswirken. Da das AF
System - egal ob
Phasen-AF oder Kontrast-AF - nicht ausreichend präzise ist, nahmen wir
eine Fokusreihe auf. D.h. mehrere Aufnahmen mit am Objektiv
fest eingestelltem Fokus bei denen die gesamte Kamera auf einer Schiene
in der Fokusachse von Bild zu Bild um eine definierte Strecke
verschoben wird. Alle Aufnahmen wurden per MTF Software
ausgewertet und die jeweils schärfsten Bilder für die finale
Berechnung verwendet.
4. Die
TestaufnahmenWir verwenden
eine modifizierte Version ds ISO 12233 Testcharts, hier ein kleiner
Ausschnitt, der einen relevanten Bereich aus der Bildmitte zeigt:
 D800
 D800E
Es
ist zu erkennen, dass bei der D800E die Farbstörungen etwas
ausgeprägter auftreten. Unterschiede in der Linienauflösung
sind zu erahnen, aber nicht so deutlich als erwartet.
Mit "quickmtf" können wir nun die entsprechenden MTF Werte der ungeschärften Bilder berechnen:
 MTF der Nikon D800
(untere Linie) und D800E (obere Linie).
Da
beide Kameras (D800 und D800E) eine Tiefpassfilterfunktion aufweisen,
können wir aus dem Unterschied der Grenzfrequenz die Stärke des
Bayer-AA-Filters der D800 berechnen: Aus
sinc (x): = sin (x) / x
leiten wir ab:
MTFBAA (f) = sinc ((1+σ) π f) / sinc (π f)
σ drückt die Stärke des AA-Filters aus, dies im Bereich von 0 to 1, oder 0% bis 100%
Der berechnete Stärke des Bayer-AA-Filters der D800 beträgt 75% ± 7%.
5. Praktische BerücksichtigungEin
Bayer-AA-Filter einer Stärke von ~ 75% ist moderat. Unter besten
Aufnahmebedingunen (niedrige ISO, hochauflösendes Objektiv, kein
Verwackeln, perfekter Fokus etc.) ergibt sich genügend Kontrast bei der
Nyquist-Frequenz um alle Details wie bei einen Sensor mit der gleichen
Auflösung, aber ohne Bayer-AA-Filter zeigen könnte. Auf der
anderen Seite, wird das Risiko von Farbmoiré nicht komplett obsolet,
nur die Wahrscheinlichkeit und die Stärke wird etwas reduziert. Eine
noch schwächere Bayer-AA-Filter Stärke von ~ 50% würde zu viel Kontrast
bei der Nyquist-Frequenz zeigen und die Reduzierung der Farbmoirés wäre
marginal. Es sieht nach einen sehr guten Kompromiss aus, den Nikon mit diesem ca. 75% Filter konstruiert hat.
Um
ein paar Beispiele zur Detail-Rekonstruktion durch Nachschärfung
zu zeigen,vergleichen wir die Zahlen der MTF50
Auflösung, mit den Ergebnissen die wir von beiden Kameras durch
unterschiedliche Schärfe-Parameter erhalten.
5.1. Schärfungs-Parameter
Der wichtigste Faktor für jede digitale MTF50 Messung ist ... schärfen!
 Die Werte der MTF50 Auflösungen einer D800 und D800E bei verschiedenen Werten für die Schärfung.
Die Bilder (RAWs) wurden mit Adobe Lightroom PV2010 mit Standard-Parametern entwickelt (außer Schärfen). Diese Einstellung erhöht bereits etwas den Kontrast und die Auflösung, sogar bei Null Schärfung. Alle anderen (Schärfungs-) Parameter sind wie in der Tabelle unten angegeben. Das Detail-Regler war auf dem Standard-Wert von 25% mit Ausnahme der "D1"-Markierung, wo er bei 100% lag.
Da
es dabei bereits um eine Dekonvolution handelt, wurden die betreffenden beiden Säulen in der
obenstehenden Grafik mit einer leichten Transparenz versehen. Für beste Ergebnisse würde die D800E eine Dekonvolution mit weniger als 0,5 px Radius benötigen, was Lightroom jedoch nicht bietet.
Wenn
wir die jeweils optimalen* Schärfungswerte für jede Kamera
verwenden, ergibt sich ein Unterscheid von nur 4% in der Auflösung.
1. D800: 1.0 px radius, 100 % ergeben 3537 LW/PH resolution (MTF50) 2. D800E: 0.8 px radius, 70 % ergeben 3684 LW/PH resolution (MTF50)
*
Die optimalen Schärfungsparameter werden in der Praxis - um einen
optimalen Schärfeeindruck zu erhalten - auch durch den Bildinhalt
bestimmt. Die beiden angegebenen Werte sind optimal um diese beiden
Testbilder derart zu schärfen, dass die nachfolgende MTF Messung ohne
störende Artefakte und ohne Überschärfung durchgeführt werden
konnte.
Die beiden MTF Kurven im Vergleich:
 Die schwarze Linie zeigt die D800E, die beiden grauen zeigen die D800, einmal ungeschärft und die andere geschärft. Die schwarze Linie der D800E zeigt denselben MTF 75 Wert, wie die Kurve des geschärften D800 Bildes.
Hier nun die beiden geschärften Testbilder:
 100% Ausschnitt aus dem geschärften D800 Testbild
 100% Ausschnitt aus dem geschärften D800E Testbild
Vergleichen wir beide geschärften Bilder wird offensichtlich, dass der Unterschied in der Auflösung sehr gering ist. Das Farbmoiré der D800E ist allerdings etwas stärker ausgeprägt und die D800 zeigt ebenfalls leichtes Farbmoiré.
6. FazitDas
Bayer-AA-Filter in der Nikon D800 zeigt nach unseren Messungen eine
eher schwache Dämpfung mit nur rund 75% der vollen Stärke.
Somit st der Unterschied zwischen der D800 und D800E nicht so groß wie man denkt: Unter kontrollierten Aufnahmebedingungen, können die D800 Bilder bis knapp an die Auflösungswerte der D800E geschärft werden. Der Nachteil ist, dass auch die D800 Farbmoiré zeigt, wenn auch weniger wahrscheinlich und in geringerem Maße.
Dies
bedeutet nicht, dass man die Bilder der D800E nicht auch schärfen kann,
aber Sie sollten schwächere Einstellungen verwenden.
Nach unserer Meinung ist es in den allermeisten Fällen nicht entscheidend, welche der beiden Modelle verwendet werden.
Die 36 MP der D800 bedeuten einerseits, dass - je nach Ausgabegröße - die volle Pixel-Qualität kaum mehr eine Rolle spielt und andererseits
schrunpft der Unterschied dieser beiden hochauflösenden Kameras
insbesondere durch die Möglichkeiten der Nachschärfung auf ein zu
vernachlässigendes Maß zusammen.
Ergo, können zum größten Teil die Unterschiede zwischen einer D800 und D800E tatsächlich ignoriert werden.
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